Immer wieder auf Menschen hereinfallen - zu gutgläubig oder naiv?
- Martha Coaching
- vor 2 Tagen
- 4 Min. Lesezeit
Warum wir nicht „zu gutgläubig“ oder zu naiv sind – und warum Menschen sich manchmal plötzlich verändern. Ein psychologischer Blick auf Vertrauen, Mangel, kognitive Dissonanz – und ein Beispiel aus der Tierwelt und wie Sie dennoch einen guten Umgang damit finden.

Heute geht es um ein Thema, das mir sehr viele Klientinnen und Klienten immer wieder erzählen – in Einzelsitzungen, in Gesprächen, in Begegnungen. Und weil es so häufig vorkommt, ist es auch ein Thema, das ich unbedingt einmal aufgreifen möchte. Gleichzeitig ist es ein Thema, das oft ein Grund ist, warum Menschen zu mir in die Praxis kommen.
Viele nennen mir als Konsultationsgrund, sie seien „zu naiv“, „zu gutgläubig“, würden sich „ständig in Menschen täuschen“ oder „immer wieder auf die Gleichen reinfallen“, weil sie „zu sehr vertrauen“.
Sie berichten, dass, auch wenn sie sich selbst verändern und „an sich arbeiten“ würden, so würden sie dennoch immer wieder auf denselben Menschen oder auf menschengleiche Muster hineinfallen. Waren es schon wieder unerkannte Wölfe im Schafspelz?
Der Glaubenssatz dahinter ist, dass Menschen auf andere „reinfallen“.
Meine Theorie ist eine andere.
Wenn Mangel entsteht, verändert sich Verhalten – auch bei guten Menschen
Sicherlich gibt es auch unberechtigte Gutgläubigkeit. Aber es gibt auch noch andere Fälle.
Meine Theorie ist die: Ein Mensch, der in irgendeinem Moment in einen inneren Mangel gerät, verändert sich. Oft sogar radikal. Das bedeutet: In dem Moment, in dem dieser Person vertraut wird, ist sie häufig tatsächlich vertrauenswürdig. Aber dann passiert etwas – ein Auslöser, ein Verlust, eine Angst, eine Verletzung – und der Mensch kann sich plötzlich um 180 Grad wenden. Im Verhalten, nicht notwendigerweise im Charakter.
Denn: Auch gute Menschen können sich schlecht verhalten und vice versa. Und auch jeder Mensch besteht aus verschiedenen Ich-Anteilen (dazu in einem anderen Beitrag mehr).
Um das zu veranschaulichen, kommt jetzt ein Beispiel aus der Tierwelt. Und zwar von meinen Hunden.
Die Ivy-Analogie: Wie Mangel Verhalten verändert
Meine beiden Pomeranians, Ivy und Phoenix, sind kleine, zuckersüße Prinzessinnen, die bei Regen nicht einmal raus möchten, weil sie einfach so unheimlich süß und sensibel sind. Sie gehen auf jeden zu, lecken jeden ab, sind zwei Kilo pures Wollknäuel und das fleischgewordene Wohlwollen. Sie würden niemandem etwas zuleide tun. Wirklich – Hand ins Feuer. Sie sind eher beschützend, kuschelig, anhänglich.
Aber: Wenn ich einen Knochen ins Feld werfe – und selbst wenn es zwei Knochen gibt, völlig irrelevant, Hauptsache ein Knochen ist da – werden sie plötzlich zum Tier. Wirklich zum Tier.
Hier passt der Satz: Homo homini lupus. Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf.
Ivy bäumt sich auf. Sie beißt, sie schnappt – selbst nach mir, selbst nach Phoenix. Sie will diesen Knochen verteidigen.
Warum? Weil Mangel entstanden ist.
Das Gefühl: Es gibt nicht genug Knochen. Oder: Ich möchte diesen unbedingt haben. Konkurrenzkampf. Besitzsicherung. „Mein Schatz“.
Und dann wird Ivy „zum Tier“ – sichtbar, spürbar, völlig anders als sonst. Sie ist in diesem Moment nicht „sie selbst“. Oder: Es ist ein Anteil von ihr, der sonst nicht sichtbar ist. (An dieser Stelle kann ich wiederum auf die Ich-Anteile verweisen: Wir bestehen aus verschiedenen Anteilen und Rollen. Je nachdem, welcher Anteil aktiv ist, ist das unser „Arbeits-Selbst“.)
Warum Menschen nach dem Konflikt nicht in ihren Ursprung zurückkehren
Wenn der Knochen wieder aus dem Feld ist, geht Ivy zurück in ihren Ursprungszustand: lieb, süß, weich, zärtlich.
Bei Menschen passiert das oft nicht.
Warum?
Wenn ich als Frauchen sagen würde:„Wegen dieses Verhaltens wende ich mich jetzt von dir ab“,entsteht noch mehr Mangel.
Das ist eine Seite der Erklärung.
Die andere Seite ist meine persönliche Theorie – und hier kommt die Psychologie ins Spiel: die kognitive Dissonanztheorie.
Kognitive Dissonanz: Wenn Verhalten und Einstellung nicht zusammenpassen
Kognitive Dissonanz bedeutet:Ein unangenehmer innerer Spannungszustand entsteht,wenn Verhalten und Einstellung nicht zusammenpassen.
Dann hat man mehrere Möglichkeiten, damit umzugehen:
Das Verhalten ändern
Die Einstellung ändern
Die Situation neu bewerten
Was passiert bei Ivy?
Sie hat sich entgegen ihrer Einstellung verhalten
Verhalten 1: (Einstellung: „Ich bin immer lieb“) ABER ich habe den Knochen verteidigt, war aggressiv, habe gebissen.
Oder danach, Verhalten 2 : (Einstellung: Frauchen wendet sich von mir ab, schimpft, ist nicht lieb) ABER Ich habe mich meinem Frauchen gegenüber geöffnet und war lieb zu ihr.
Beides sind Verhalten, die nicht zur Einstellung passen.
Jetzt hat sie verschiedene Möglichkeiten:
sie könnte ihr Verhalten ändern
oder sie ändert ihre Einstellung zu mir oder zur Situation
oder sie interpretiert ihr Verhalten neu, damit es nicht mehr „falsch“ wirkt
Bei Menschen passiert genau das Gleiche.Und hier wird es problematisch:
Warum Menschen im Hass bleiben – und warum sie sich von Ihnen abwenden
Menschen, die im Hass bleiben oder die sich plötzlich gegen Sie wenden,haben sich oft für eine bestimmte Form der Dissonanzreduktion entschieden:
Sie ändern nicht das Verhalten. Sie ändern die Einstellung.
Damit das Verhalten „passt“.
Wenn ich mich schlecht verhalte,dann muss „der andere“ schlecht sein.
Damit entsteht innere Ordnung.
Und plötzlich hat man:
einen Menschen, der Sie nicht mehr mag
jemanden, der sich 180 Grad gegen Sie wendet
jemanden, der Sie verletzt
jemanden, der Sie sabotiert
oder jemanden, der den Kontakt komplett abbricht
Nicht, weil Sie „zu gutgläubig“ waren. Nicht, weil Sie „wieder auf jemanden reingefallen“ sind.
Sondern weil Mangel und Dissonanz eine enorme Kraft haben,Verhalten und Einstellungen zu verändern.
Warum ich diese Geschichte heute erzähle
Weil viele meiner Klientinnen und Klienten glauben, das Problem sei ihre Naivität.
Aber das ist nicht immer der Fall. Oft ist nicht Naivität das Problem, sondern das Missverstehen eines psychologischen Mechanismus.
Und manchmal kann ein kleiner Hund mit einem Knochenmehr erklären als jedes Fachbuch.
Wie kann ich dennoch gut damit umgehen? Eine Übung
Zu jedem meiner Artikel möchte ich in Zukunft eine passende Übung zur Verfügung stellen.
Zur jeweils passenden Hypnoseübung gelangen Sie über den Link.
Dieser führt zu meinem eigenen Spotifykanal. Sie finden alle bereits publizierten aber auch auf meiner Homepage (unter > Produkte und Neuheiten; kostenlose Übung).
Diese kombiniert zwei hypnotherapeutische Methoden: die assoziative Therapie und die repräsentative Vergeltungsarbeit und/oder Vergebungsarbeit
(Terminologie nach der Methode Palacios)
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